Steinberg

 

Steinberg: Der Kaiser hat den Wald behalten!

Im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847 wurden die Forderungen der Tiroler nach Anerkennung als Waldeigentümer erfüllt. Der Kaiser hat freilich auch die Staatsinteressen im Auge behalten: Rund 100.000 ha des Nordtiroler Nutzwaldes wurden als Staatseigentum zurück behalten – heute Bundesforste in Nordtirol. Die anderen Wälder wurden als Einzeleigentum anerkannt oder diversen Nachbarschaften, damals „Gemeinden“ genannt, ins Gemeinschaftseigentum übertragen. Manch eine Nachbarschaft ist leer ausgegangen – auch die Nachbarn von Steinberg am Rofan.

Bis 1847 stand in Nordtirol die Inn- und Wipptaler Waldordnung Kaiser Leopolds I. (* 1640; + 1705) aus dem Jahr 1685 in Geltung. Dieses Gesetz erklärte den Wald in Nordtirol als Eigentum des Landesfürsten („Forstregal“). Die Tiroler wollten diese Rechtslage in den 1840er Jahren nicht länger akzeptieren. Sie forderten ihre Anerkennung als Eigentümer. Nach Einholung von Rechtsgutachten bereinigte Kaiser Ferdinand (* 1793, + 1875) mit der „aller höchsten Entschließung vom 06.02.1847“, dem „Tiroler Forstregulierungspatent“, die Rechtslage: Für den Nordtiroler Raum wurde eine Servitutenablösung angeordnet.

Eine Staatskommission hatte rund 36.150 holzbezugsberechtigte (Nord-)Tiroler Familien erhoben, denen ersessene Ansprüche auf Nutz- und Brennholz zustanden – jährlich rund 735.000 m³ insgesamt. Die Ablösung dieser Rechte gegen Waldeigentum erfolgte in Form von Gemeinschaftsliegenschaften für die jeweiligen Nachbarschaften. Weil man diese Nachbarschaften damals „Gemeinde“ nannte, bezeichnete man das Nachbarschaftsgut als „Gemeindegut“.

UMWELTSCHUTZ ANNO 1847

Politisch wollte der Kaiser eine Einigung mit den Tirolern; das Kaiserreich stand am Vorabend des Revolutionsjahrs 1848. Bei den Vorgaben an die Servituten-Ablösungskommission wurden freilich auch andere Staatsziele verfolgt: In den gekräuselten Worten der Sprache des 19. Jahrhunderts formuliert eine Instruktion vom 1. Mai 1847 aus der Wiener Hofkanzlei, dass zuallererst bestimmte Umweltschutzziele zu beachten wären.

Sofort ist sich in erster Linie die unumgängliche Nothwendigkeit der Erhaltung des phisikalischen Bestandes der betreffenden Gebirge gegenwärtig zu halten, und da angenommen werden muß, daß selber durch den Vorbehalt des aerarischen Eigenthumsrechtes auf die Forsttheile mittelst deren Conservirung jener geschützt ist, […] so sind solche Forsttheile, deren besondere Pflege nothwendig wird, um das Absitzen der Berge, das Austreten der Wässer u. dgl. gemeinschädliche Ereignisse hintanzuhalten, so weit es die Lokalverhältniße nur immer zuläßig machen, […] dem Aerar vorzubehalten.“

Umweltschutz im Jahr 1847: Umweltpolitisch sensible Waldstrecken sollten im Staatseigentum verbleiben! Während in anderen Kronländern Revolution herrschte, haben sich die Nordtiroler zwischen September 1847 und Dezember 1849 mit ihrem Landesfürsten wegen des Eigentums an den Wäldern verglichen. 283 Vergleiche wurden ausverhandelt; in den allermeisten Nachbarschaften wurden diese auch umgesetzt.

STAATLICHEN HOLZBEDARF SICHERSTELLEN

Weiters forderte die Instruktion der Wiener Hofkanzlei vom Mai 1847, dass nach den Umweltschutzinteressen an die Staatsbedürfnisse zu denken sei: „In zweiter Linie kömmt die bisherige Deckung des aerarischen Holzbedarfes, wozu insbesondere auch die Bringbarkeit desselben zu den dermal bestehenden aerarischen Werken gehört, zu berücksichtigen.“ Der „ärarische Holzbedarf“ – da wurde vor allem an die landesfürstliche Saline Hall und an die landesfürstlichen Bergwerke gedacht. Dieser Holzbedarf war durch Rückbehalt von Staatswäldern sicher zu stellen. Auch die Verkehrserschließung musste bedacht werden.

Zur Sicherung dieser Interessen wurde für die Gemeinde Steinberg am Rofan eine Ablösung der Forstservituten von vorne herein ausgeschlossen. Moritz v. Kempelen, damals „kk Berg u. Salinen Direktions Sekretär“, erklärt dies in einem Bericht vom 20. Juli 1849 folgendermaßen: „Das Brandenberger und Steinberger Thal liefert […] jährlich 4000 cub. Klftr auf die Kramsacher Lend, und versieht so die Bergwerke Achenrain und Brixlegg vollständig, wobei noch ausserdem jährlich 1000 cub Klftr für die Saline erübrigt werden. Dieses günstige Resultat ist eine Folge der geregelten Holzbezugsverhältnisse in diesen Thälern, die eine regelmäßige Forstbewirthschaftung [für das kaiserliche Aerar] möglich machten, und bisher eine große Stütze in der Gemeinde fanden, deren Glieder in der Mehrzahl aus Holzarbeitern bestehen. Eine Abfindung, […] brächte nun vor allem den Nachtheil mit sich, daß die größern Grundbesitzer, […] ihre speciellen Interessen durchzusetzen bemüht wären, die im Allgemeinen weniger auf die Erhaltung des Waldes, als auf die Vergrößerung der Weide, und Ausdehnung der Streunutzung gerichtet sind. Da nun […] theilweise Koncessionen in dieser Beziehung nicht zu vermeiden gewesen wären, so laßen sich die nachtheiligen Folgen, die eine Änderung der bisherigen Eigenthumsverhältnisse in diesen Thälern auf die nachhaltige Bedeckung so wichtiger Montan Werke ausüben würde, kaum ermessen.“

KEIN NACHBARSCHAFTSEIGENTUM, KEINE VERWECHSLUNGEN

Die kaiserliche Forst-Servituten-Ablösungskommission hat deshalb mit den Nachbarn von Steinberg am Rofan keine Servitutenablöse durchgeführt, „weil nach der allgemeinen Überzeugung jede Änderung des gegenwärtigen geregelten Zustandes und förstlichen Betriebes, dem Interesse des Aerars entgegen wäre“ – so der damalige Gubernial Sekretär Jakob Gasser, ebenfalls Kommissionsmitglied, im genannten Bericht vom 20. Juli 1849.

„Gemeinschaftseigentum“, das mit „Gemeindeeigentum“ verwechselt werden konnte, ist in Steinberg am Rofan somit keines entstanden. Bei der Grundbuchanlegung wurden der Ortsgemeinde Steinberg gerade 1 ha Grund (Wege und Plätze) als Eigentum zuerkannt. Gleichzeitig wurden rund 6.000 ha Wald als Eigentum des k.k.Aerar, heute „Bundesforste“, festgestellt. Die Stammliegenschaftsbesitzer von Steinberg am Rofan sind dort heute noch „eingeforstet“.