Bildergebnis für Landeshauptleutekonferenz 2013

Klagenfurt: Landeshauptleutekonferenz im Mai 2014 (Foto: Landesmedienservice Burgenland)
Nur Tirol sieht sich veranlasst, seine Bürgerinnen und Bürger im Blick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu Agrargemeinschaft Mieders zu enteignen.
Offensichtlich ist in allen anderen Bundesländern bekannt, dass dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf erfundenen Behauptungen – auf fake-news – gründet.
Jedenfalls wird das Erkenntnis überall kräftig ignoriert! Nur nicht in Tirol.

 

Übersicht:
Realgemeinden und Urbarialgemeinden
Der Vorarlberger Weg
Kein Gemeindegut in Kärnten
Tirol steht alleine für Enteignung

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 Abstract:

Landwirtschaftliches Gemeinschaftseigentum, heute per Gesetz als „Agrargemeinschaft“ definiert, existiert nicht nur in Tirol. Gemeinschaftsgüter waren neben dem „feudalen Grundbesitz“ ursprünglich die dominierende Organisationsform für die Masse des Liegenschaftsvermögens – nicht nur in den Kronländern des Kaisertums Österreich, sondern in ganz Europa.

In Vorarlberg steht heute noch mehr als die Hälfte der Landesfläche in derartigem Gemeinschaftsbesitz. Der flächenmäßig größte Gemeinschaftsbesitz in Österreich, die Agrargemeinschaft Nenzing, organisiert rund 8150 ha Grundfläche bei aktuell ca. 700 Mitberechtigten. Österreichweit gibt es tausende Agrargemeinschaften; im Burgenland tragen diese zum Großteil die Bezeichnung „Urbarialgemeinde“, die Gemeinschaft der Grundbesitzer, die in den historischen Steuer-Urbar erfasst waren.

Ungeachtet dieser Tatsachen, ignorieren alle anderen Bundesländer kräftig das Mieders-Verkenntnis des VfGH von 2008. Nur Tirol ist anders. Nur die Tiroler Besitzer von Grund und Boden müssen den gemeindegutsirrsinn erdulden. Tirol steht mit seinen heutigen Sozialisierungsbemühungen beim agrargemeinschaftlichen Eigentum österreichweit alleine da.

REALGEMEINDEN UND URBARIALGEMEINDEN

Unter den Agrargemeinschaften in Österreich sticht die „Realgemeinde Leoben“ hervor, in der ein Liegenschaftsbesitz von rund 6700 ha organisiert ist. Mitglieder dieser Agrargemeinschaft sind die jeweiligen Eigentümer und Miteigentümer jener 152 bürgerlichen Häuser in Leoben, die im Jahre 1630 (!) die Stadt Leoben gebildet hatten. Bei den Anteilrechten werden vier Klassen unterschieden, wobei der ersten Klasse mit den größtem Anteilrecht rund 15 Häuser angehören, der zweiten Klasse knapp doppelt so viele. Die Nutzungsanteile der verschiedenen Klassen verhalten sich zueinander wie folgt: Klasse eins: 17, Klasse zwei: 14, Klasse drei: 11, Klasse vier: 9.

Besonders augenfällig sind die Verhältnisse im Burgenland, wo von ca. 220 Agrargemeinschaften mit einem Grundbesitz von mehr als 10 ha die weit überwiegende Anzahl als „Urbarialgemeinde“ konstituiert wurde; dies nach einer Rechtsgrundlage des Königreichs Ungarn von Anfang des 19. Jh. Die flächenmäßig größte burgenländische Agrargemeinschaft ist die Urbarialgemeinde Apetlon mit einem Grundbesitz von ca. 1300 ha. Ungeachtet angeblich verfassungsrechtlicher Erfordernisse zeigen sich in keinem anderen Österreichischen Bundesland nachhaltige Bemühungen, agrargemeinschaftliches Vermögen einer entschädigungslosen Verstaatlichung zu unterwerfen.

Nur in Vorarlberg gab es Ansätze für eine Umgestaltung der Agrargemeinschaften im Sinn des „Mieders-Erkenntnisses“ des Verfassungsgerichtshofes. Während die Tiroler Landesregierung jedoch schon im Jahr 2008 hektische Bemühungen entfaltete, die abstrakten Rechtssätze des „Mieders-Erkenntnisses“ „auf Punkt und Beistrich“ umzusetzen, hat man in Vorarlberg zuerst einmal die Rechtsverhältnisse der einzelnen Agrargemeinschaften analysiert. Während in Tirol noch im Jahr 2008 eine ganze Riege von zusätzlichen Vollzugsbeamten verpflichtet wurde, das „atypische Gemeindegut“ zu Gunsten der Ortsgemeinden fruchtbar zu machen, wurde in Vorarlberg eine Kommission eingesetzt, die jeden potenziellen Einzelfall genau untersucht hat.

DER VORARLBERGER WEG

Bei einer genauen Auseinandersetzung mit den konkreten Regulierungsverfahren und dem gleichzeitigen Blick auf den Sachverhalt, zu welchem der Verfassungsgerichtshof im „Mieders-Verkenntnis 2008“ entschieden hatte, ist eine entscheidende Schwäche dieses Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses in die Augen gefallen:
Nicht ein einziger Rechtssatz wird darin auf die historische Tatsache verwandt, dass alle Regulierungsverfahren betreffend so genanntes „Gemeindegut“ – in Vorarlberg nicht anders als in Tirol – aufgrund von Parteienübereinkommen zwischen der Ortsgemeinde einerseits und den Nutzungsberechtigten andererseits erfolgt waren.

Selbst dann, wenn eine Ortsgemeinde wahre Eigentümerin gewesen sein sollte, lagen alle Erfordernisse dafür vor, dass Eigentumsverfügungen nach damals geltendem Recht wirksam waren. Wenn eine Ortsgemeinde vertraglich verfügt und alle bescheidmäßigen Genehmigungserfordernisse nach jeweils geltendem Recht vorliegen, ist diese Verfügung nicht weniger wirksam, als die Verfügung eines Privaten.

Von Seiten der Vorarlberger Landesregierung hat man im Blick auf solche Untersuchungsergebnisse keinen amtswegig wahrzunehmenden Handlungsbedarf gesehen. Es blieb den Ortsgemeinden überlassen, bei der Agrarbezirksbehörde Bregenz ein Verfahren auf „Rekommunalisierung“ von Gemeindegutsagrargemeinschaften einzuleiten.

Im Jahr 2011 wurde sodann anhand des Musterfalles der Gemeinde Weiler entschieden, dass in den historischen Regulierungsverfahren endgültige Verhältnisse geschaffen wurden (Agrarbezirksbehörde Bregenz, Bescheid vom 11. Oktober 2011; Landesagrarsenat Vorarlberg, Erkenntnis vom 27. Jänner 2012). Die Beschwerde der Ortsgemeinde Weiler gegen diese Entscheidungen an den Verfassungsgerichtshof hat dieser „mangels Erfolgsaussicht“ erst gar nicht in Behandlung genommen (VfGH Beschluss vom 20. Juni 2012 B 291/12-3). Als die Agrarbezirksbehörde Bregenz mit Bescheid vom 26. September 2012 auch im Fall der Gemeinde Rankweil gegen die „Rekommunalisierung“ entschied, kamen die Bemühungen der Ortsgemeinden Vorarlbergs um das „atypische Gemeindegut“ zum Erliegen.

KEIN GEMEINDEGUT IN KÄRNTEN

Unter den anderen Bundesländern sticht offensichtlich Kärnten hervor. Vom langjährigen Leiter der Agrarbehörde Villach, Dr. Wolfram Haller, wissen wir, dass in Kärnten – im krassen Gegensatz zu Tirol – gar nie „Gemeindegutswälder“ gebildet wurden. (Wolfram Haller, Die Entwicklung der Agrargemeinschaften in Osttirol, 1947, Österreichische Nationalbibliothek, Sign 753717 –C, Seite 17). Im Blick auf eine Jahrhunderte lange, besonders enge Verbundenheit in der Herrschafts- und Wirtschaftsverhältnissen von Kärnten und Tirol muss dies verwundern. Festzustellen ist freilich, dass rechtsvergleichende Untersuchungen aus den letzten 100 Jahren zu den agrargemeinschaftlichen Verhältnissen in den Österreichischen Bundesländern nicht existieren.

Kärnten zeichnet sich im Vergleich zu Tirol durch folgende Umstände aus:  a) eine schnelle Umsetzung des Teilungs- und Regulierungsrechts;  b) eine gründliche Unterscheidung zwischen öffentlichem Eigentum und Privateigentum im Zuge der Anlegung der modernen Grundbücher; c) die Anlegung der modernen Grundbücher war hatte mindestens 30 Jahre vor derjenigen in Tirol begonnen und auch zu einem zügigen Abschluss gebracht worden.

Schnelle Umsetzung des Teilungs- und Regulierungsrechts:

Im ehemaligen Herzogtum Kärnten war das Fehlen eines Teilungs- und Regulierungsgesetzes schon in den 1870er Jahren Thema im Landtag. Widerholt hat der Kärntner Landtag beim Reichsgesetzgeber gesetzliche Grundlagen eingefordert, die eine Regulierung agrargemeinschaftlicher Liegenschaften ermöglichen sollten. Als die entsprechenden Grundsatzgesetze vom Reichsgesetzgeber 1883 geschaffen wurden, war das Land Kärnten das erste Kronland, wo der Landtag ein Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz geschaffen hat. Parallel zum Gesetzwerdungsprozess im Reichsparlament hatte der Landtag in Kärnten bereits am 20. Oktober 1882 den „Landesausschuss“ [entspricht heute der Landesregierung] damit beauftragt, alles vorzubereiten, damit unmittelbar nach Sanktion des Reichsgesetzes das in Aussicht gestellte Landesgesetz sofort in Beratung gezogen werden könne. Bereits am 10. September 1883 beauftragte der Landtag den Kärntner Landesausschuss, den Entwurf für ein Teilungs- Regulierungs-Landesgesetz in den Kärntner Landtag einzubringen; am 16. August 1884 wurde der Gesetzesentwurf eingebracht und noch am 24. Oktober 1884 vom Kärntner Landtag verabschiedet. Nach allerhöchster Sanktion erfolgte die Verlautbarung im Landesgesetzblatt am 5. Juli 1885.

Im Kärntner Sprachgebrauch dieser Zeit wurden die Gemeinschaftsliegenschaften vor allem als „Ortschafts-“ oder „Nachbarschafts-“Besitz bezeichnet. Von einem agrargemeinschaftlich genutzten „Gemeindebesitz“ („Gemeindegut“) ist nicht die Rede. Dies obwohl in den Erhebungen zur Vorbereitung des Teilungs- Regulierungs- Landesgesetzes 3013 (!) agrarische Gemeinschaften festgestellt wurden. Das Kärntner Landesgesetz von 1885 verlangte eine amtswegige Regulierungsverpflichtung, sofern die Berechtigten nicht binnen bestimmter Frist die Teilung des Gemeinschaftsgutes beantragen sollten oder wenn eine solche untunlich wäre. Wegen der faktischen Unmöglichkeit zahllose Regulierungen so kurzfristig vorzunehmen wurde Anfang der 1890er Jahre seitens des Kärntner Landtages ein Gesetz geschaffen, das die provisorische Regelung der Verwaltung und Benützung gemeinschaftlicher Grundstücke durch Erkenntnis der Landeskommission ermöglichte (LGBl Nr 18/1891). Die Regulierung und Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke wurde somit in Kärnten schon in den 1880er und 1890er Jahren mit größtem Nachdruck vorangetrieben. Knapp zwölf Jahre nach Inkrafttreten des Landesgesetzes berichtete das k.k. Ackerbauministerium mit Stichtag 31.12.1897 von 388 eingeleiteten Operationen, von denen faktisch durchgeführt waren 256 Operationen und zwar 73 Teilungen, 77 Teilungen und Regulierungen und 106 Regulierungen. Beschäftigt waren mit diesen agrarischen Operationen insgesamt 15 Personen. Kein Wunder, dass bereits im Jahr 1916 aus berufenem Munde festgestellt wurde, dass in Kärnten im Jahr 1916 bereits der größte Teil der Agrargemeinschaften reguliert sei (Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“ im österreichischen bürgerlichen Recht, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1916, 159).

Unterscheidung: öffentliches und privates Eigentum:

In Kärnten war der Grundstückskataster bereits in den Jahren 1826 bis 1829 angelegt worden. In den Parzellenprotokollen des Grundstückkatasters aus dieser Zeit findet sich in der Eigentümerrubrik häufig der Begriff „Gemeinde XY“, wobei es damals noch längst keine politischen Ortsgemeinden im heutigen Sinn gegeben hat. Diese wurden aufgrund des Reichsgemeindegesetzes von 1862 durch entsprechende Ausführungsgesetze in den Ländern in der Zeit von 1863 bis 1866 geschaffen. Der bei Einrichtung der Grundstückskataster verwendete Begriff „Gemeinde“ wurde deshalb in Kärnten gerade nicht als Bezeichnung der modernen politischen Ortsgemeinde verstanden, sondern es wurde differenziert vorgegangen: Anlässlich der Neuanlage der Grundbücher, die in Kärnten bereits in den 1870er Jahren in Angriff genommen wurde, wurden sowohl die Bürgermeister als auch die „Obmänner“ („Dorfmeister“ usw) der örtlichen Nachbarschaften vorgeladen. Diese mussten bei allen nicht in Individualbesitz stehenden Parzellen erklären, ob es sich um agrargemeinschaftliches Gut oder öffentliches Gut handelte. Dementsprechend wurden dann Einlagezahlen für den jeweiligen Gemeinschaftsbesitz gebildet und der restliche Gutsbestand in die Verzeichnisse des öffentlichen Guts eingetragen.

TIROL STEHT ALLEINE FÜR ENTEIGNUNG

Soweit ersichtlich ist Tirol auch rund zehn Jahre nach dem Mieders-Verkenntnis 2008 das einzige österreichische Bundesland, in welchem dieses Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis umgesetzt wurde.

Tirol ist das einzige Bundesland, in welchem agrargemeinschaftliches Vermögen, obwohl vor Jahrzehnten in agrarischen Operationen als Eigentum von Agrargemeinschaften festgestellt, wegen behaupteter historischer Eingriffe in ein angebliches Gemeinde-Eigentum den Privaten entzogen wird.

Besonders bitter ist das für die Betroffenen, weil die Agrarbehörde und der Verwaltungsgerichtshof ein „atypisches Gemeindegut“ nicht danach identifizieren, ob ein historisches Unrecht geschehen ist. Ein Unrecht wird im Blick auf eine „Gemeindegut- bzw. Fraktionsgut-Qualifizierung“ unwiderlegbar fingiert. Die wahren historischen Eigentumsverhältnisse werden nicht geprüft.

Bleibt es freilich auch in den nächsten Jahren bei einer „Tiroler Spezialität“, könnte dies für eine Umkehrbarkeit des Prozesses sprechen.

Das Nähere wird die Geschichte lehren!

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Vorarlberg ist anders

Erfunden zur Enteignung

 

Max Paua