Das moderne „Flurverfassungsrecht“ geht auf ein Gesetz mit dem sperrigen Titel „Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte“ (kurz: TRRG) aus dem Jahr 1883 zurück. Die Ursprünge dieser Regelungsmaterie in Österreich bildete das Patent vom 5. November 1768, wonach alle „gemeinen Weiden“ in Böhmen und in Österreich zu teilen seien. (Politische Gesetzessammlung Nr 1064, 388; S auch die weiteren Patente vom 24. März 1770 PGS Nr 1184, 179; 23. August 1770 PGS Seite 264; 14. März 1771, PGS Seite 503; 4. Jänner 1780, PGS Nr 2136; 17. April 1784, PGS Seite 506; 8. Juni 1785, Josefinische Gesetzessammlung 1786, Band 10, Seite 51)

Weil das TRRG 1883 nicht nur die Teilung von Gemeinschaftsliegenschaften regelt, sondern auch die „Reorganisation“ derselben, hätte man es auch einfach „Gemeinschaftsliegenschaften-Gesetz“ nennen können.

Die Bildung einer Agrargemeinschaft ist nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers insbesondere auch als Reorganisationsmaßnahme für allfällige „Überreste der alten Agrargemeinden“ zu verstehen, worunter man sich die in den historischen Wirtschaftsgenossenschaften gemeinschaftlichen bewirtschafteten agrarischen Grundflächen vorzustellen hat. Das dringende Bedürfnis danach hatte die Praxis bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts hervorgebracht[1];

582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 2: „Bezüglich der gemeinschaftlichen Grundstücke sind die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse nicht bloß von Land zu Land, sondern von Fall zu Fall so verschieden und unklar und ihre Verwaltung so ungeregelt und wüst, dass es schon die höchste Zeit ist, diesen Missständen ein Ziel zu setzen.“

Das vorhandene legislative Instrumentarium wurde für ungeeignet erachtet.

582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12: „In allen [historischen] Gemeindeordnungen – mit Ausnahme derjenigen für Niederösterreich – findet sich wohl die Bestimmung, dass die privatrechtlichen Verhältnisse und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde ungeändert zu bleiben haben; allein mit diesem Satze werden die Streitigfragen nicht gelöst, noch weniger wird das Verhältnis der Genossenschaft zur Gemeinde richtig gestellt. Die weiteren Bestimmungen der Gemeindeordnungen, dass in Bezug auf die Teilnahme an den Erträgnissen und Nutzungen des Gemeindeeigentums und auf das Maß derselben sich nach der bisherigen unangefochtenen Übung zu benehmen ist, ist eben auch nicht geeignet in die bekanntlich äußerst verworrenen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse, Klarheit und Ordnung zu bringen, noch weniger aber geeignet, eine rationelle Verwaltung und die möglichst große Rentabilität herbeizuführen.“

Ein Inkrafttreten setzte für das betreffende Kronland voraus, dass ein entsprechendes Landesgesetz im Landtag verabschiedet wurde. Dies haben folgende Landtage mit folgenden Gesetzen unternommen:

Mähren: Gesetz für die Markgrafschaft Mähren vom 13.2.1884, LGBl 31/1884 (Mähr-TRLG);

Kärnten: Gesetz für das Herzogtum Kärnten vom 5.6.1885, LGBl 23/1885 (K-TRLG);

Niederösterreich: Gesetz für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns vom 3.6.1886, LGBl 39/1886 (NÖ-TRLG 1886);

Krain: Gesetz für das Herzogtum Krain vom 26.10.1887, LGBl 2/1888 (Krain-TRLG),

Schlesien: Gesetz für das Herzogtum Schlesien vom 28.12.1887, LGBl 13/1888 (Schles-TRLG);

Salzburg: Gesetz für das Herzogtum Salzburg vom 11.10.1892, LGBl 32/1892 (Slbg-TRLG);

Steiermark: Gesetz für das Herzogtum Steiermark vom 26. Mai 1909 LGBl 44/1909 (St-TRLG 1909);

Tirol: Gesetz für die gefürstete Grafschaft vom 19. Juni 1909 LGBl 61/1909 (T-TRLG 1909);

Oberösterreich: Gesetz für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns vom 28. Juni 1909 LGBl 36/1909 (OÖ-TRLG 1909)

Nachzügler Vorarlberg: Gesetz für das Land Vorarlberg vom 11. Juli 1921 LGBl 1921/115 (V-TRLG 1921)

Alle diese Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetze (im folgenden kurz: „TRLGs“ waren von den Wiener Zentralstellen in die jeweiligen Landtage eingebracht worden; auch sind die maßgeblichen Gesetzesstellen in den verschiedenen TRLGs aus den Jahren 1884 – 1909 zur Einbeziehung des (gemeinderechtlichen) Gemeindeguts weitgehend deckungsgleich formuliert worden.

§ 2 Abs 3 Mähr-TRLG 1884: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. März 1864“; § 2 Abs 1 K-TRLG 1885: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. März 1864“; § 2 Abs 4 NÖ-TRLG 1886: „nach Maßgabe des § 64 der Gemeindeordnung vom 31. März 1864“; § 2 Abs 4 Krain-TRLG 1887: „nach Maßgabe der geltenden Gemeindeordnung“; § 2 Abs 4 Schles-TRLG 1888: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. November 1863“; § 2 Abs 3 Slbg-TRLG 1892: „nach Maßgabe des § 64 der Gemeinde-Ordnung vom 2. Mai 1864“, § 5 Abs 4 St-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 60 der Gemeindeordnung vom 2. Mai 1864“; § 5 Abs 4 T-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 9. Jänner 1866“; § 5 Abs 5 OÖ-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 61 der Gemeindeordnung vom 28. April 1864“; § 5 Abs 3 V-TRLG 1921: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 21. September 1904“.

Der aus den Gesetzesmaterialien zum TRRG 1883 hervorleuchtende Wortsinn des Begriffes „Gemeindegut“ muss deshalb grundsätzlich auch den Ausführungsgesetzen unterstellt werden.