Die Meldung klingt wie ein aktueller Tageszeitungsartikel. „Reklamationsverfahren der Grundbuch­anlegung in der Katastralgemeinde Lans. Neben Lechner und Reitmayr sind die Vertreter der Gemeinde anwesend. Die Bauern wollen sämtliche Holzbezugsberechtigte zu einer Verhandlung vorladen. Die Holzbezugsrechte seien keine Gemeindenutzungen, sondern seit jeher Privatrechte und als solche müssten diese auch behandelt werden.“ Am 26. November 1899 legte der Grundbuchanlegungskommissär die Angelegenheit der Landeskommission zur Entscheidung und Erledigung vor. Er selbst hatte ursprünglich auf „Gemeindegutsnutzung“ erkannt und zugunsten der alten Höfe in Lans keinerlei Rechte am Gemeindegut einverleibt. Dagegen richtete sich die Reklamation von Lechner und Reitmayr, denen sich die übrigen Stammliegenschaftsbesitzer von Lans angeschlossen hatten.

DIE LANDESKOMMISSION ENTSCHEIDET 

Die Entscheidung fiel höheren Orts: Am 22. März 1901 wurden mit Rang vom 1. April 1900 die geforderten Servitutsrechte am Gemeindewald im Grundbuch einverleibt. Es heißt dort: Aufgrund von Ersitzung wird die Dienstbarkeit des Holz- und Streubezuges, nach Deckung des Holzbedarfs der Gemeinde Lans, zu öffentlichen Zwecken, auf diesen Grundparzellen zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Stammsitzliegenschaften in EZ 1. I bis 34. I, jeweils KG Lans, einverleibt.

Der Umfang der einzelnen Servitutsrechte wurde in Form von Anteilsrechten definiert, in Bruchteilen, nämlich konkret in 248stel-Anteilen. Die einzelnen Anteile variieren zwischen 4/248 Anteilen (ein halber Teil), 8/248 Anteilen (ein ganzer Teil), 16/248 Anteilen (zwei ganze Teile) sowie 22/248 Anteilen (zwei ganze und dreiviertel Teile). In Summe wurde der gesamte Holz- und Streunutzen der Liegenschaften des Gemeindeguts von Lans in quotenmäßig bestimmten Servitutsrechten den alten Stammsitzen von Lans zugeordnet. Damit war die Aufteilung der Holzerträge des Gemeindeguts von Lans klar geregelt: Der Gemeinde stand die Abdeckung des laufenden Holzbedarfs für öffentliche Zwecke zu, das heißt für das Gemeindehaus, die Schule, das Widum usw., und der verbleibende Ertrag war den Stammsitzliegenschaften der Katastralgemeinde Lans zugeordnet. Dies nach festen Quoten auf der Grundlage von privaten Servitutsrechten, die grundbücherlich sichergestellt waren.

Jahrzehntelang hat dieser Rechtsbestand unangefochten gegolten. Im Zuge des Regulierungsverfahrens der Agrargemeinschaft Lans in den 1950er Jahren wurden die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken des Lanser Gemeindeguts geprüft. Als Eigentumstitel der „Gemeinde“ ist bei der Grundbuchanlegung die „Forst-Eigentums-Purifikations-Urkunde“ herangezogen worden. Dieser Eigentumstitel stammt aus der Zeit der Tiroler Forstregulierung, die auf der allerhöchsten Entschließung vom 6. Februar 1847 beruht. Mit diesem Gesetz wurden die Waldeigentumsverhältnisse in Tirol grundlegend neu geordnet.

Die Agrarbehörde am Amt der Tiroler Landesregierung hat zu solchen Eigentumstiteln in ihrem Zehnjahresbericht vom 28. Juli 1959 an die Tiroler Landesregierung Folgendes zum Ausdruck gebracht: Die in Österreich einzigartige, kritische bzw. komplizierte Situation der Nutzungsrechte der Stammliegenschaftsbesitzer am Gemeindegut gründe in der falschen Auslegung der Tiroler Forstregulierung aus dem Jahr 1847. Das kaiserliche Gesetz wollte den jeweiligen Grundeigentümern und den von diesen gebildeten Gemeinschaften die Waldungen zu Eigentum zuweisen. Trotz eines klaren historischen Gesetzeswillens seien im Zuge der Grundbuchanlegung die historischen Wirtschaftsgemeinden, die Gemeinschaften der historischen Stammsitze, mit den erst zu einem späteren Zeitpunkt entstandenen heutigen politischen Gemeinden gleichgesetzt worden. Deshalb sei fälschlich den heutigen politischen Ortsgemeinden bei der Grundbuchsanlegung das Eigentum einverleibt worden.

Aufgrund dieser Rechtsauffassung hat die Agrarbehörde im Regulierungsverfahren über das Gemeindegut von Lans entschieden, dass Eigentümerin der betreffenden Liegenschaft nicht die Ortsgemeinde sei, sondern die neu konstituierte, körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft Lans, die Gemeinschaft aller historischen Stammsitze dieser Katastralgemeinde. In demselben Verfahren entschied die Agrarbehörde über die im Grundbuch einverleibten Holz- und Streubezugsservituten. Diese seien bei der Ermittlung der Anteilsrechte berücksichtigt worden, weshalb diese zufolge „Konfusion von herrschendem und dienendem Gut zu löschen“ seien. Kein Agrargemeinschaftsmitglied hat sich gegen die Löschung der Servitutsrechte ausgesprochen. Schließlich war die von allen gebildete Gemeinschaft, die Agrargemeinschaft, nun als Eigentümerin anerkannt.

ETWAS IST VERLOREN GEGANGEN

Heute geht die herrschende Auffassung zu den Rechtsverhältnissen am Gemeindegut von Lans davon aus, dass die Gemeinde seit jeher wahre Eigentümerin gewesen sei. Die historische Entscheidung der Agrarbehörde über die Eigentumsverhältnisse sei als verfassungswidrige Enteignung zu verstehen. Deshalb soll der Ortsgemeinde der Substanzwert zustehen, der auch alle Holzerträge umfasst, die verbleiben, wenn der konkrete Naturalbedarf der Stammsitzliegenschaften gedeckt ist. Auch die erzielten Ertragssteigerungen in der Forstwirtschaft – die Agrargemeinschaft hat den jährlich nachhaltig erzielbaren Holznutzen fast verdoppelt – stehen nach dieser Auffassung der Ortsgemeinde zu. Vom Standpunkt der Stammliegenschaftsbesitzer besteht im Blick auf diese Entwicklung freilich der Eindruck, dass ihnen im Verlauf der Geschichte an irgendeiner Stelle Wesentliches abhanden gekommen sein muss!

Das Tiroler Verfachbuch und die Gemeindearchive dokumentieren die historischen Aktivitäten der Nachbarschaften, die heute als agrarische Gemeinschaften nach Flurverfassungsrecht konstituiert sind. Aus der älteren Zeit überwiegen Dokumente, die im Zuge der behördlichen Streitentscheidung unter den Nachbarschaften entstanden sind.

SPURENSUCHE EINER NACHBARSCHAFT

1177: Kaiser Friedrich I. Barbarossa bestätigte dem Kloster Biburg (Bayern) diverse Besitzungen unter anderem auch in Schöfens, in Navis und in Lans. Diese Urkunde ist der älteste schriftliche Beleg für die Existenz der Nachbarschaft Lans. Die Namenskundler gehen sogar von vorrömischen Wurzeln des Siedlungsgebietes aus. Das Altkeltische kannte einen Begriff „landa“, den man mit „freies Land“ oder „Heide“ übersetzen kann.

1449: Die „ehrsamen Nachbarschaften“ zu Lans und Sistrans einigen sich vor Ulrich Saurwein, Landrichter zu Sonnenburg im Inntal, betreffend „Bluembesuch und Behülzung“ (Weide und Holznutzung). Die gegenseitig gemachten Schäden sollten sich aufheben.

1486: Konrad Mürringer, Verweser des Landgerichts Sonnenburg im Inntal, regelte eine Auseinandersetzung zwischen der Nachbarschaft Igls und den Nachbarn zu Lans wegen der Nutzung und Erhaltung des Ramsbaches sowie „Wun“, „Waid“ und was dazu gehört im Grenzgebiet.

1536: An der Grenze zwischen dem Igler und dem Lanser Besitz wurden 21 Grenzsteine gesetzt und darüber eine Urkunde errichtet. Als Schiedsrichter fungierten der Richter in Stubai, Ruelanden Dieperskircher zu Hohenburg, und der Landrichter zu Sonnenburg im Inntal, Hannsen Magen.

1557: Die ehrsame „gemaine“ Nachbarschaft Lans und jene von Igls waren sich uneinig darüber, wo sich der in einer Urkunde von 1393 genannte „Schrippels“ befinde, der als Grenze zwischen ihren Weidegebieten vereinbart war. Nach der gütlichen Einigung werden die Gerichtskosten Halbe-Halbe aufgeteilt. Das Holz sollen die Igler und die Lanser im strittigen Gebiet gemeinsam nutzen. Entschieden hat den Streit der Landrichter zu Sonnenburg, Jakob Saurwein. Am öftesten sind die Lanser Nachbarn gegen die Igler und die Sistranser zu Gericht gezogen; im Juli 1637 haben die Lanser dann gemeinsam mit den Iglern auch einmal die Nachbarschaft Patsch verklagt. Regelmäßig trat eine gesamte Nachbarschaft als Prozesspartei gegen eine andere Nachbarschaft auf; einzelne Besitzer als Kläger oder Beklagte sind die Ausnahme in den historischen Streitigkeiten über Grenzen, Weide- und Holznutzungsrechte.

1956: EINE AGRARGEMEINSCHAFT ENTSTEHT

Das Gemeinschaftsgebiet der Lanser Nachbarn wurde im Zuge der Grundbuchanlegung im Jahr 1899 als Gemeindeeigentum erfasst. 1901 wurden im Zuge des „Reklamationsverfahrens“ zu Gunsten der Nachbarschaftsmitglieder Holznutzungsservituten im Grundbuch eingetragen. Danach war zuerst der Holzbedarf der Gemeinde Lans zu öffentlichen Zwecken abzudecken; der gesamte weitere Ertrag war nach Quoten den Mitgliedern der Nachbarschaft zugeordnet. Im Jahr 1956 entschied die Agrarbehörde, dass das Gemeinschaftsgebiet der Lanser Eigentum einer körperschaftlich einzurichtenden Agrargemeinschaft sei. Der Ortsgemeinde wurde ein Anteilsrecht von zehn Prozent zuerkannt. Alle Anteilsrechte wurden von der Agrarbehörde im Eigentümerblatt des Grundbuchs ausgewiesen.

Seit Gründung der Agrargemeinschaft wurden von den Mitgliedern 541.767 Forstpflanzen gesetzt und insgesamt 37.040 unbezahlte Arbeitsstunden im Gemeinschaftsgebiet geleistet. 20 km Forstwege wurden errichtet. Durch nachhaltige Forstwirtschaft wurde der Ertrag des Wirtschaftswaldes von 1.177 fm Nutzholz im Jahr 1955 auf 2.700 fm Nutzholz laut Stand 2012 gesteigert. Die Ertragssteigerung resultiert nicht nur aus gezielter Aufforstung und nachhaltiger Pflanzenpflege, sondern auch aus massiven Einschränkungen bei der Waldweide und Aufforstung diverser Weideparzellen. Agrargemeinschaft Lans hat 12 km vertraglich geregelte Wanderwege, Laufrouten und Gesundheitslehrpfade eröffnet;  eine Vielzahl an Ruhebänken wurden aufgestellt. Das gesamte Forstwegenetz steht allen Wanderern und sonstigen Erholungssuchenden zur Verfügung. Im „Ull-Wald“ wurde eine Kneipp-Anlage errichtet. 34 Miteigentümer hatte die Agrarbehörde im Jahr 1956 festgestellt; hinzu kam die Ortsgemeinde mit einem Zehntelanteil. Die Lanser haben keinen Waldbesitz im Alleineigentum, weil es in der Vergangenheit nie zu einer Aufteilung des Gemeinschaftswaldes gekommen ist. Gemeinschaftlich bewirtschaftet werden in Lans insgesamt 436 ha Grundfläche, davon Wirtschaftswald 268,3 ha, Schutzwald außer Ertrag 55,5 ha, Schutzwald im Ertrag 69,1 ha, Wegfläche 7,5 ha und Almfläche 35,6 ha. Auf das Anteilsrecht der Ortsgemeinde entfallen anteilig 43,6 ha Wald- und anteilige Almfläche, auf jeden einzelnen Nachbarn durchschnittlich 11,5 ha.